Eine schwimmende Stadt by Jules Verne

Eine schwimmende Stadt by Jules Verne

Autor:Jules Verne [Verne, Jules]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2011-09-23T22:00:00+00:00


Zwanzigstes Capitel.

Ellen. – Die Lootsen-Pause. – Der Mormonen-Prediger.

Für Corsican und mich war kein Zweifel mehr möglich, wir hatten Ellen, die Verlobte Fabian’s, die Frau Harry Drake’s gesehen. Wie wunderbar, daß diese drei Personen hier vom Schicksal zusammengewürfelt waren! Und doch, obgleich Fabian sie einen Augenblick wiederzuerkennen meinte, hatte er ihre Erscheinung gleich darauf für ein Phantasiegebilde gehalten und glaubte nicht an ihre Gegenwart. In einer Beziehung aber täuschte er sich nicht; er hatte gerufen: »Eine Wahnsinnige!« und irrsinnig war sie. Schmerz und Verzweiflung über ihre getödtete Liebe, über ihre Verbindung mit dem unwürdigen Mann, der sie Fabian entrissen, der gänzliche Einsturz ihres Glücks hatten den armen Geist gestört.

Am andern Morgen sprach ich hierüber mit Hauptmann Corsican; über die Indentität der jungen Frau war auch er im Klaren, es war Ellen, die von ihrem Gatten nach dem amerikanischen Continent geschleppt wurde, und die er auch dort in sein abenteuerliches Dasein mit verflechten wollte. Des Hauptmanns Blick flammte düster auf, als er hieran dachte, und auch ich fühlte, wie mein Herz sich bei dieser Erwägung wild aufbäumte. Was vermochten wir Beide gegen den Gatten, ihren Gebieter? – Nicht das Geringste!

Wenn Fabian Ellen wiedersah, würde er jedenfalls seine Verlobte erkennen und die Katastrophe herbeiführen, die wir so gern vermieden hätten.

Jedenfalls also mußte es unser Bestreben sein, ein neues Begegniß zwischen ihnen zu verhindern. Es schien jedoch, als sei ein Wiedersehen der beiden unglücklichen Menschen nicht zu befürchten; Ellen erschien weder während des Tages noch am Abend auf dem Verdeck oder in den Salons; nur in tiefster Nacht mochte sie ihrem Kerkermeister entrinnen, um ihr armes Haupt in feuchter Luft zu baden und in dem kühlen Seewinde Linderung ihres Geschicks zu suchen.

In vier Tagen spätestens mußte der Great-Eastern das Fahrwasser von New-York erreicht haben, und so konnten wir uns der Hoffnung hingeben, daß der Zufall unsere Pläne nicht vereiteln, und Fabian über Ellen’s Gegenwart auf dem Schiffe in Unwissenheit bleiben würde. Diese Annahme sollte sich jedoch als trügerisch erweisen.

Das Dampfschiff hatte seine Richtung während der Nacht etwas verändert, da die Wasserproben drei Mal nur eine Temperatur von siebenundzwanzig Grad Fahrenheit, d.h. drei bis vier Grad Celsius unter Null ergaben. Man konnte die Nähe bedeutender Eisbänke nicht länger in Zweifel ziehen, und so war der Great-Eastern südlicher gegangen. Wirklich hatte der Himmel heute einen eigenthümlichen Glanz, die Atmosphäre war förmlich weiß, und der ganze Norden flimmerte, wie uns schien, von einer intensiven Rückstrahlung der Eisberge.

Eine scharfe Brise durchschnitt die Luft, und gegen zehn Uhr stäubten plötzlich kleine seine Schneeflöckchen auf das Schiff hernieder. Dann stieg eine Nebelbank empor, in der wir unsere Gegenwart durch wiederholtes Pfeifen signalisirten. Flüge von Möven, die auf den Raaen des Great-Eastern Ruhe gesucht hatten, wurden durch dies betäubende Geräusch aufgestört und flatterten wild davon.

Um halb elf Uhr, als der Nebel sich klärte, erschien am Horizont ein Schraubendampfer an Steuerbordsseite. Der weiße Ausläufer seines Schornsteins zeigte an, daß er der Juman-Gesellschaft, die den Auswanderer-Transport von Liverpool nach New-York besorgt, angehörte. Das Fahrzeug schickte uns seine Nummer, es war der »City of Limerick« von 1530 Tonnen Gehalt und zweihundertsechsundfünfzig Pferdekraft.



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